WORTBILDUNG IM DEUTSCHEN Die Wortbildung ist eine Lehre, die sich auf die Strukturen der Wörter konzentriert. Durch einzelne Wortbildungsarten entstehen neue Wörter, d. h. entweder 1) neue Formen mit neuen Inhalten (Komposition, Derivation) oder 2) nur neue Formen, während die Inhalte gleich bleiben (Kürzungen) oder 3) das Wort bekommt im Satz eine neue Funktion (Konversion). 1. KOMPOSITION: BM + BM (Basismorphem + Basismorphem) Deutschlehrer {Deutsch - UK1 + Lehrer + UK2): UK = unmittelbare Konstituente 1.1 DETERMINATIVKOMPOSITUM: UK1 bestimmt die UK2 nähre Bügelbrett = ein Brett (UK1), auf dem man bügelt (UK2) Hauptmerkmale der Determinativkomposita: • Sie bestehen aus einer Base/Grundwort und einem Determinant/Bestimmungswort. • Das Grund- und das Bestimmungswort sind nicht (nicht einmal theoretisch) austauschbar! • Die Base steht immer an der letzen Stelle im Kompositum. • Die Base bestimmt die Wortart, beim Substantiv auch das Genus. Hochhaus hohes Haus Kindergeschrei Geschrei der Kinder Kinderbetreuung —> Betreuung der Kinder Herrenhandschuhe —* Handschuhe für Herren Indianerbuch —» Buch über Indianer 1.2 KOPULATIVKOMPOSITUM: UK1 und UK2 sind gleichwertig Strichpunkt = Strich und Punkt Hauptmerkmale der Kopulativkomposita: • Alle Glieder des Kopulativkompositums sind gleichwertig. • Alle gehören zu einer Wortart und zu einer semantischen Klasse (z. B. blau-rot-weiß: alle Teile des Kopulativkompositums gehören zum Wortfeld „Farben") • Die Glieder sind theoretisch austauschbar (z.B.: weiß-rot-blau <^ blau-rot weiß, Uhrenradio <^ Radiouhr). Oft werden sie allerdings in einer festen Reihenfolge lexikalisiert. 1.3 POSSESSIVKOMPOSITA: UK1 und UK2 bezeichnen ein Lebewesen anhand von Eigenschaften Rotkehlchen = Vogel, der ein rotes Kehlchen hat Hauptmerkmale der Possessivkomposita: • Die Glieder stehen zueinander in einer gleichen hierarchischen Ordnung wie beim Determinativkompositum (Basis und Determinant). • Die Glieder sind nicht austauschbar. • Semantisch sind sie meist Metonymien (Synekdochen): z.B.: ein Schreihals ist kein *,.schreiender Hals", sondern ein Mensch der viel schreit (Pars pro totum). So sind viele Benennungen der Tiere oder Pflanzen entstanden: Löwenzahn, Rotkelch, Blauschwanz, Dickhäuter, Tausendfüßler, Nashorn Exkurs: FUGENELEMENTE (Verbidnugselemente) - keine Morpheme, meistens „Reste" der Deklinationsendungen {Königshof —> des Königes Hof, Schweinshaxe —> des Schweines Haxe. Sie gehören also fast immer zum ersten Teil des Kompositums: Hundstage, Hundefutter, Hundenheim. 2. DERIVATION: heißt „ableiten aus einer Ursprungsform". Dieses „Ableiten" kann durch unterschiedliche Vorgangsweisen erfolgen: • Ableitung durch Affixe Präfigierung (Ableitung durch Präfixe oder Präfixoide) Suffigierung (Ableitung durch Suffixe oder Suffixoide) • Ableitung ohne Affix implizite Ableitung Ableitung durch Wortartwechsel ohne Formativänderung (Konversion) 2.1 ABLEITUNG DURCH AFFIXE: BM + WBM (Basismorphem + Wortbildungsmorphem) od. umgekehrt Präfix ändert nie die Wortart der Base kann unspezifisch sein -11 ist betont oder unbetont ff) dient in erster Linie zur semantischen Erweiterung der Base Präfigierung Missernte (Ernte, die schlecht ausfällt Unklug (nicht klug) losfahren (beginnen zu fahren) Suffix ^ ordnet die Base einer Wortart zu ist für (nur) eine Wortart spezifisch ^ ist Immer unbetont ^ dient in erster Linie zur Überführung der Base in eine andere Kategorie Suffigierung Sportler (Person, die Sport treibt) lesbar (kann gelesen werden) telefonieren (ein Telefon benutzen) 2.2 ABLEITUNG OHNE AFFIXE: das neuentstandene Wort wird ohne Affix abgeleitet 2.2.1 IMPLIZITE ABLEITUNG: BM + eine Veränderung im Stammvokal Zwingen - Zwang (das, was jemanden zwingt) Fliegen - Flug (VOrgang, das jemand fliegt) gehen - gegangen —> Gang, binden - band - gebunden —> Band - Bund 2.2.2 KONVERSION: Wortartwechsel OHNE Affixe oder Stammvokalwechsel leben -> das Leben das Alte, das Schöne, das Lebendige Mail —> mailen, Chat —> chatten, Snowboard —> snowboarden 3. KÜRZUNG (Vereinfachung des bestehenden Wortbestands) 3.1 Abkürzungen Abkürzungen werden immer als das ursprüngliche Wort ausgesprochen, falls der Text laut vorgelesen wird. Beispiele: z.B. «— zum Beispiel, etc. et cetera/ zum Beispiel, vgl. *— vergleiche u. a. Kürzel werden auch fast immer in voller Länge ausgesprochen: m <— Meter, ha i— Hektar, km/h *— Kilometer pro Stunde/Stundenkilometer/ jedoch auch „ka-em-hä" Logogramme sind Sonderzeichen, die statt einer üblichen Buchstabenkombination in schriftlichen Texten verwendet werden. Sie werden immer als das „Ursprungsworf gelesen. € <— Euro, % i— Prozent, @ <— At-Zeichen, & <— und, $ <— Dollar, £ i— Pfund u.a. Abkürzungswörter: werden buchstabiert: ÖBB, ARD, KFZ, CA, CD... werden als ein Wort ausgesprochen: NATO, UNICEF, BAWAG... werden oft wegen der Aussprache aus einigen Silben des ursprünglichen Formativs gebildet: MuKi-Pass <- Mutter-Kind-Pass, Raika <- Raiffeisensparkassa 3.2 Kurzwörter - Kopfform (der erste Teil des Wortes bleibt erhalten: Kilo (-gramm), Uni(-versität), Foto(-graphie) - Schwanzform (der Anfang des Wortes wird getilgt: (Autoomni-)Bus, (Eisen-)Bahn, (Regen-)Schirm - Klammerform (der mittlere Teil des Wortes wird ausgelassen: Bier(glass)deckel, Auto(mobil)händler, S(chnell)-Bahn, U(ntergrund(eisen))-Bahn, Zoo(logischer)-Garten, ...